Neurodivergentes Reisen

Autor*in: Katharina (@ottilie)

Der Sommer ist vorbei und viele von uns waren zumindest ein paar Tage im Urlaub. Wir auch.

Dabei ist uns aufgefallen, dass für uns reisen mit viel einhergeht:

Neue Umgebung und Rhythmus

Kern des Urlaubs ist fast immer ein Umgebungswechsel. Das ist etwas, was nicht allen neurodivergenten Menschen leicht fällt. Wenn alles anders ist, müssen die ganzen Informationen erst verarbeitet werden. Das kostet Energie. Und wir können uns häufig nicht mehr auf unsere Routinen verlassen: z.B. ist unser Wasserkocher daheim geblieben, einmal um den Block zu laufen, bedeutet dort etwas ganz anderes und das Bett ist auch nicht das gleiche. 

Sensorische Reize

Und dann sind da noch die vielen neuen Eindrücke. Neue Gerüche, neue Gebäude, neue Pflanzen. Das ist häufig spannend und macht ein bisschen den Reiz des Urlaubs aus – aber da ist auch sehr viel zu verarbeiten. Vor allem, wenn es zusätzlich oben drauf kommt.

Soziale Interaktionen

Außerdem gibt es viel häufiger soziale Interaktionen. Wir reisen oft mit anderen in den Urlaub, mit denen man sich die Ferienwohnung oder sogar das Zimmer teilt. Wir sind vermehrt auf die Hilfe von Fremden angewiesen. Letztere folgen vielleicht sogar anderen sozialen Skripten als Menschen in unserer gewohnten Umgebung. Wieder heißt es aufnehmen, verarbeiten, adaptieren, ohne überfordert zu sein.


Wir wollen trotzdem reisen

Das heißt nicht, dass wir nicht gerne reisen. Im Gegenteil sogar. Aber: Wenn wir einfach so reisen, wie Neurotypische, ist mindestens ein Meltdown fast vorgezeichnet. Zum Glück kann man Dinge ja anders machen. Hier ein paar Tipps von Katharina:

  1. Alleine reisen, zumindest in Teilen: Es muss nicht mal ein ganzer Urlaub alleine sein. Obwohl das auch toll sein kann. Aber ich reise gerne mit Freund*innen. Dann sorge ich entweder dafür, dass wir auch mal mehrere Tage am Stück voneinander getrennt sind. Oder, dass zumindest klar ist, dass es völlig in Ordnung ist, wenn wir uns auch mal über längere Abschnitte nicht sehen. Dann gehe ich alleine auf Entdeckungstour, denn ich liebe es, Neues zu erschließen – alleine wird es dabei einfach nicht so schnell zu viel.
  2. Mehr Natur: Gerade wenn der Urlaub länger als ein Wochenende dauert, tut zumindest mir die Natur sehr gut. Die Ruhe, die Weite, die Abwesenheit von zu vielen Menschen. Gleichzeitig gibt es so viel zu entdecken. Wenn du körperlich recht fit bist, finde ich Wandertouren super. Sehr gerne alleine, aber eine Wanderbegleitung, die genauso einfach gerne nur läuft und die Gegend anschaut, funktioniert auch super. Man wandert einfach nebeneinander her. Und am Abend ist man an einem neuen Ort, so müde, dass man sich auf das unbekannte Bett schon freut. Diesen Sommer bin ich zum Beispiel einen Teil des Alpen-Adria-Trails gelaufen und es war toll.
  1. Kein FOMO haben: Klar will man im Urlaub so viel wie möglich mitnehmen. Aber hör deshalb nicht damit auf, auf dich selbst zu hören. Wenn du merkst, dass es dir zu viel wird, geh in deine Unterkunft zurück oder suche dir wenigstens eine ruhigen Park und ruh dich aus. Da spreche ich leider aus Erfahrung: Es ist besser, ein paar Stunden zu verpassen, als in völliger Derealisation durch die Stadt zu irren. 
  1. Gute Reisebegleitung: Ich kann häufig besonders gut mit Menschen reisen, die auch so ihre Eigenheiten haben und deshalb Verständnis dafür haben, dass ich meine eigenen habe. Menschen, die Stille gut aushalten können. Menschen, die völlig ok damit sind, wenn ich mal ein bisschen stimme, mal verstumme, mal einfach kurz weg bin. Dann habe ich weniger Stress. Das sind häufig enge Freund*innen oder bei dir dein*e Partner*in. Aber vielleicht gibt es auch gute Bekannte, bei denen du im Alltag merkst, dass sie dich nicht viel Energie kosten. Und im Gegenzug kann es tolle Freund*innen geben, die dir aber während der ganzen Nähe im Urlaub zu viel sind. Das ist ok: Nicht alle Freund*innen sind eine gute Reisebegleitung – und trotzdem gute Freundschaften.
  2. Urlaub vom Urlaub: Wenn es dir möglich ist, plane mindestens zwei Tage Puffer ein zwischen deinem Urlaub und dem Beginn des Alltags ein. Diese Tage sind super, um sich zu regenerieren, an die neue-alte Umgebung zu gewöhnen und sich einfach zu sortieren.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *